Die Intuition nutzen: Ein Surfer auf einer Welle versteht es, sich blitzschnell zu entscheiden.

Intuition in der Führung

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Was ist Intuition?

Stell dir vor, du stehst vor einer wichtigen Entscheidung. Die Fakten sind da, die Daten analysiert und trotzdem ist keine eindeutige Antwort zu erkennen – doch irgendetwas in dir zieht dich automatisch zu einer bestimmten Lösung. Du kannst es nicht genau erklären, aber es fühlt sich richtig an. Doch was steckt hinter dieser geheimnisvollen inneren Stimme? Wie entsteht Intuition, wann ist sie hilfreich, und wo führt sie uns in die Irre? In diesem Artikel erfährst du, wie du Intuition verstehen und gezielt nutzen kannst.

Sie ist wie eine unsichtbare Landkarte, die uns durch komplexe Situationen führt – oft schneller und präziser, als wir es mit reinem Nachdenken schaffen könnten.

Doch was steckt hinter dieser geheimnisvollen inneren Stimme? Wie entsteht Intuition, wann ist sie hilfreich, und wo führt sie uns in die Irre? In diesem Artikel tauchen wir ein in die faszinierende Welt der Intuition. Lass uns entdecken und verstehen, wie Intuition wirkt, und lernen, sie gezielt einzusetzen. Denn Entscheidungen treffen wir täglich – die Kunst besteht darin, kluge Entscheidungen zu treffen.

Modelle der Intuition: Wissenschaftliche Ansätze

Wenn ich versuche ein Thema zu verstehen und zu nutzen, hilft meist eine Recherche zum Stand der Dinge. Die Wissenschaft liefert da verschiedene Modelle und Theorien, die versuchen, das Phänomen der Intuition zu erklären. Diese stammen aus unterschiedlichen Disziplinen wie der Psychologie, der Kognitionswissenschaft, der Neurowissenschaft und der Philosophie. Die schiere Menge an unterschiedlichen Ansätzen zeigt bereits, dass Intuition wohl keine klare Sache ist.

Zwei-Systeme-Modell der Kognition (Dual Process Theory)

Dieses Modell geht davon aus, dass es zwei kognitive Systeme gibt:

  • System 1: Schnelles, automatisches, intuitives Denken. Es basiert auf Erfahrungswissen und unbewussten Prozessen.
  • System 2: Langsames, analytisches, bewussteres Denken, das auf logischem Schlussfolgern und bewusster Analyse beruht.

Intuition wird hier als Teil von System 1 beschrieben, das durch Erfahrung und Mustererkennung funktioniert, ohne dass man sich der genauen Entscheidungsprozesse bewusst ist.

Ein Beispiel

  • System 1 (Intuitives Denken): Ein erfahrener Surfer sitzt im Wasser und spürt durch jahrelange Praxis sofort, welche Welle sich lohnt. Ohne bewusst zu analysieren, paddelt er los, positioniert sich und kommt mit Leichtigkeit ins Gleiten. Seine Intuition basiert auf wiederholten Erfahrungen und dem Erkennen von Mustern in der Bewegung des Wassers.
  • System 2 (Analytisches Denken): Ein Anfänger hingegen beobachtet die Wellen mit großem Aufwand. Er analysiert die Größe, Geschwindigkeit und Richtung jeder Welle bewusst, bevor er versucht, eine Entscheidung zu treffen. Die bewusste Analyse dauert länger, und er ist oft unsicher, ob er die richtige Wahl trifft. Das kostet ihn sehr viel Kraft, die dann beim Take Off in der Welle fehlt.

Kombination beider Systeme

Wenn der erfahrene Surfer an einem neunen Spot surft – etwa auf einem Surftrip – muss er möglicherweise kurzfristig von System 1 auf System 2 umschalten. Er beobachtet die Wellenstruktur bewusst, analysiert Strömungen und lernt die Umgebung kennen. Sobald er sich eingewöhnt hat, schaltet er zurück auf System 1 und handelt wieder intuitiv.

Das Zwei-Systeme-Modell zeigt, wie Intuition (System 1) und Analyse (System 2) zusammenarbeiten, um Surfern zu helfen, Entscheidungen je nach Erfahrung und Situation effizient zu treffen.

Kognitiv-Adaptives Modell der Intuition

Dieses Modell basiert auf der Idee, dass Intuition das Ergebnis eines langanhaltenden Lernprozesses ist, bei dem das Gehirn wiederkehrende Muster erkennt. Menschen sammeln unbewusst Informationen aus ihrer Umwelt und greifen auf dieses Wissen in Form von Intuition zurück. Ein Beispiel:

Ein erfahrener Surfer kann oft intuitiv entscheiden, welche Welle er nehmen soll, selbst in der chaotischen Windwelle vor Sylt. Er hat über Jahre hinweg Muster in der Bewegung der Wellen erkannt – wie sie sich aufbauen, brechen und wie ihre Energie verläuft.

Ohne bewusst darüber nachzudenken, registriert er die Größe, Geschwindigkeit und Richtung der Wellen sowie subtile Umweltfaktoren wie Wind und Strömung. Diese unbewusst gespeicherten Informationen ermöglichen es ihm, innerhalb von Sekundenbruchteilen die perfekte Welle auszuwählen und sie erfolgreich zu reiten.

Warum?

Sein Gehirn hat durch langjährige Erfahrung wiederkehrende Muster in der Wasserbewegung gelernt. Diese Muster werden intuitiv abgerufen und lassen ihn Entscheidungen treffen, die für einen Anfänger wie reines Bauchgefühl wirken, in Wirklichkeit aber auf fundiertem Erfahrungswissen basieren.

Ein Anfänger hingegen würde wahrscheinlich zögern, analysieren oder die falsche Welle erwischen, weil ihm die intuitive Mustererkennung noch fehlt..

Naturalistic Decision Making: Entscheidungen unter Druck

Dieses Modell befasst sich damit, wie Menschen in realen Situationen unter Druck Entscheidungen treffen, oft in unsicheren oder unvorhersehbaren Kontexten. Intuition wird hier als die Fähigkeit beschrieben, schnell und effizient auf Basis früherer Erfahrungen zu handeln, insbesondere in Situationen, in denen wenig Zeit für eine vollständige Analyse bleibt. Ein Beispiel:

Auf der Welle trifft ein Surfer in Sekundenbruchteilen eine Vielzahl an Entscheidungen – oft ohne bewusst darüber nachzudenken. Die Theorie des Naturalistic Decision Making (NDM) beschreibt genau diese Fähigkeit: schnelle und effiziente Entscheidungen in dynamischen, unvorhersehbaren Situationen zu treffen, basierend auf Erfahrung und Kontext.

Die Situation: Entscheidungen beim Abreiten der Welle

Ein erfahrener Surfer paddelt in die Welle und springt aufs Board. Sobald er den Take Off geschafft hat, passiert Folgendes:

1. Wie lang soll der Bottom Turn sein?

Der Surfer erkennt intuitiv die Größe und Energie der Welle und entscheidet blitzschnell, ob er einen langen, kraftvollen Bottom Turn machen soll (bei einer größeren, langsameren Welle) oder einen kurzen, schnellen (bei einer kleineren, steileren Welle).

2. Cutback oder Speed halten?

Während er die Linie der Welle beobachtet, registriert er, ob die Welle flach wird. Wenn ja, wählt er einen Cutback, um zurück zur Energiezone der Welle zu gelangen. Ist die Welle hingegen steil, hält er den Speed und bleibt an der optimalen Linie.

3. In die Tube oder raus?

Wenn sich die Welle zu schließen beginnt, analysiert er intuitiv die Möglichkeit, in die Tube zu gehen. Er berücksichtigt Faktoren wie den Winkel der Lippe, die Breite des Tunnels und seine eigene Geschwindigkeit. Bei Unsicherheiten entscheidet er sich, die Welle zu verlassen, um einen Sturz zu vermeiden.

Warum funktioniert das intuitiv?

  • Erfahrung: Der Surfer hat durch jahrelanges Üben ein tiefes Verständnis dafür entwickelt, wie Wellen funktionieren und wie sie sich in verschiedenen Situationen verhalten.
  • Mustererkennung: Das Gehirn erkennt blitzschnell bekannte Muster in der Wellenform, Geschwindigkeit und Energie.
  • Kontextabhängige Entscheidungen: In der dynamischen Situation nutzt er seine bisherigen Erfahrungen, um in Echtzeit die beste Option zu wählen, ohne bewusst darüber nachzudenken.

Was passiert bei Anfängern?

Ein unerfahrener Surfer analysiert solche Entscheidungen oft bewusst und viel langsamer. Er überlegt sich aktiv, wie er den Bottom Turn einleiten oder die Geschwindigkeit halten soll. Diese bewusste Entscheidungsfindung (System 2 des Zwei-Systeme-Modells) dauert länger und kann dazu führen, dass er die optimalen Momente verpasst.

Fazit:

Beim Abreiten einer Welle zeigt sich Naturalistic Decision Making in der Fähigkeit eines erfahrenen Surfers, blitzschnell kontextbezogene Entscheidungen zu treffen, ohne bewusst darüber nachzudenken. Diese Fähigkeit wächst mit der Erfahrung und ist entscheidend, um dynamische und unvorhersehbare Bedingungen souverän zu meistern.

Erfahrungsbasierte Intuition: Intuition durch Expertise

Dieses Modell geht davon aus, dass Intuition eine Form von implizitem Wissen ist, das durch extensive Erfahrung in einem bestimmten Bereich entwickelt wird. Experten können aufgrund ihrer Erfahrung intuitiv Lösungen oder Probleme erkennen, ohne eine bewusste Analyse durchzuführen.

Ein Surflehrer erkennt intuitiv Fehler und deren Ursachen

Ein erfahrener Surflehrer nutzt seine Intuition, um während des Unterrichts die Bewegungen und Entscheidungen seiner Schüler zu korrigieren. Basierend auf seiner langjährigen Praxis erkennt er nicht nur die offensichtlichen Fehler, sondern auch deren zugrunde liegenden Ursachen – oft ohne bewusste Analyse.

Die Situation: Schüler steht instabil auf dem Board

Ein Anfänger versucht, seine erste grüne Welle abzureiten. Er steht auf, wackelt jedoch und stürzt, bevor er Fahrt aufnehmen kann. Während ein unerfahrener Lehrer möglicherweise oberflächliche Tipps gibt, wie „Besser die Knie beugen!“, erkennt der erfahrene Lehrer intuitiv, dass der Schüler die Balance verliert, weil:

  • er beim Aufstehen sein Gewicht zu sehr nach vorne verlagert,
  • die Füße falsch positioniert sind, oder
  • der Blick auf das Board statt auf die Wellenfront gerichtet ist.

Diese Ursache für den instabilen Stand erfasst der Lehrer blitzschnell durch jahrelange Beobachtung und Mustererkennung.

Wie der Lehrer intuitiv handelt:

1. Gewichtsverlagerung korrigieren:

Der Lehrer erkennt, dass der Schüler instabil ist, weil er beim Take-off den Oberkörper zu weit nach vorne beugt. Er sagt intuitiv: „Bleib leicht zurückgelehnt und führe die Bewegung kontrollierter aus.“

2. Fußposition überprüfen:

Ohne lange zu überlegen, merkt er, dass die Füße des Schülers zu eng oder nicht parallel zur Stringer-Linie (der Mittellinie des Boards) stehen. Er korrigiert mit einer präzisen Anweisung: „Deine Füße sollten stabiler und breiter stehen – probier es nochmal so.“

3. Blickrichtung lenken:

Der Surflehrer sieht sofort, dass der Schüler auf das Board statt auf die Wellenfront schaut, was die Balance negativ beeinflusst. Er ruft: „Schau nach vorne, nicht nach unten! Die Welle zeigt dir den Weg.“

Warum funktioniert das?

  • Mustererkennung: Der Lehrer hat über Jahre hinweg unzählige Schüler mit ähnlichen Problemen beobachtet. Er erkennt die zugrunde liegenden Ursachen intuitiv.
  • Erfahrungswissen: Sein Gehirn hat typische Fehler und deren Korrekturen abgespeichert, sodass er in Echtzeit präzise Anweisungen geben kann.
  • Intuition durch Praxis: Die Entscheidungen wirken mühelos, sind aber das Ergebnis seiner tiefen Expertise.

Vergleich zu einem unerfahrenen Lehrer:

Ein unerfahrener Lehrer würde die Bewegungen der Schüler bewusster analysieren und vielleicht nur die Symptome erkennen, ohne die Ursachen zu verstehen. Die Korrekturen könnten dadurch weniger effektiv und verzögert sein.

Fazit:

Der erfahrene Surflehrer nutzt seine Intuition, um die Ursachen hinter den Bewegungsfehlern der Schüler zu erkennen. Diese „Erfahrungsbasierte Intuition“ ermöglicht es ihm, präzise Korrekturen vorzunehmen und den Lernprozess seiner Schüler gezielt zu verbessern. Dieses intuitive Wissen ist das Ergebnis jahrelanger Praxis und macht ihn zu einem besonders effektiven Lehrer.

Somatische Marker-Hypothese: Wenn der Körper entscheidet

Diese Theorie von Antonio Damasio betont die Rolle von Emotionen und somatischen (körperlichen) Reaktionen bei der Entscheidungsfindung. Intuition basiert auf somatischen Markern, die im Laufe der Erfahrung entwickelt werden. Diese Marker beeinflussen unbewusst unsere Entscheidungen, indem sie uns körperliche Signale geben, ob eine Entscheidung potenziell positiv oder negativ ist. Wieder ein Beispiel aus dem Surfen:

Die somatische Marker-Hypothese besagt, dass körperliche Reaktionen, die auf Erfahrungen beruhen, unbewusst unsere Entscheidungen beeinflussen. Diese „Marker“ geben uns Signale, ob eine Situation potenziell gut oder riskant ist. Surfer nutzen solche Marker intuitiv, um Gefahren einzuschätzen – oft beschrieben durch den Spruch: “If you’re in doubt, don’t paddle out.”

Die Situation: Unsicherer Surftag mit großen Wellen

Ein Surfer steht am Strand und beobachtet die Bedingungen. Die Wellen sind groß, die Strömung stark, und er spürt ein Gefühl der Unsicherheit. Obwohl er keine offensichtliche Gefahr sieht, signalisiert ihm sein Körper: „Hier stimmt etwas nicht.“ Dieses Gefühl ist ein somatischer Marker, der auf früheren Erfahrungen basiert, in denen er möglicherweise in ähnlichen Situationen überfordert oder in Schwierigkeiten geraten ist.

Wie die somatischen Marker wirken:

1. Körperliche Reaktion:

Der Surfer bemerkt ein flaues Gefühl im Magen, einen erhöhten Puls oder ein leichtes Zittern. Diese körperlichen Signale sind unbewusste Warnungen, die ihn innehalten lassen.

2. Emotionale Intuition:

Basierend auf früheren Surferfahrungen, in denen die Bedingungen zu anspruchsvoll waren, „merkt“ sein Körper, dass die Situation riskant sein könnte – noch bevor sein Verstand die Gefahr vollständig analysiert hat.

3. Entscheidung:

Der Surfer folgt dem Spruch “If you’re in doubt, don’t paddle out” und bleibt an Land. Er weiß, dass das Risiko für Verletzungen oder gefährliche Situationen zu hoch ist, auch wenn er die Gefahr nicht vollständig erklären kann.

Ein positives Beispiel: Vermeidung von Gefahr

Die somatischen Marker schützen den Surfer, indem sie ihn vor einer potenziell gefährlichen Situation bewahren. Sein Körper reagiert auf unbewusste Signale, die auf Erfahrung basieren, und hilft ihm, eine kluge Entscheidung zu treffen.

Ein negatives Beispiel: Überhören der Marker

Ein unerfahrener Surfer ignoriert die Warnsignale seines Körpers und paddelt trotzdem raus. Er wird von der starken Strömung erfasst und gerät in Schwierigkeiten, weil ihm die Erfahrung fehlt, um die Bedingungen richtig einzuschätzen.

Fazit: Die Rolle der somatischen Marker

Der Spruch “If you’re in doubt, don’t paddle out” fasst perfekt zusammen, wie somatische Marker funktionieren. Sie sind das Ergebnis früherer Erlebnisse und dienen als unbewusste Leitplanken für Entscheidungen – besonders in Situationen, in denen es um Risiken und Unsicherheiten geht. Surfer, die auf diese körperlichen Signale achten, treffen oft sicherere und klügere Entscheidungen.

Heuristik- und Bias-Modell: Die Tücken der Intuition

Intuition wird hier von Daniel Kahneman & Amos Tversky als schnelle Heuristik beschrieben, die oft nützlich ist, aber auch systematische Verzerrungen (Bias) zur Folge haben kann. Menschen verwenden einfache Faustregeln oder mentale Abkürzungen (Heuristiken), um schnelle Entscheidungen zu treffen, was oft zu intuitiven, aber fehleranfälligen Ergebnissen führt.

Das Heuristik- und Bias-Modell zeigt, dass intuitive Entscheidungen oft auf mentalen Abkürzungen (Heuristiken) beruhen. Diese sind nützlich, aber auch anfällig für systematische Verzerrungen (Bias). Im Surfbereich treten diese Verzerrungen in vier Kategorien auf: zu viel oder zu wenig Kontext und zu viel oder zu wenig Information.

Zu viel Kontext: Der Halo-Effekt

Ein Surfer sieht, wie ein erfahrener Local eine große, schwierige Welle problemlos surft. Beeindruckt von der Leistung, glaubt der Surfer, dass auch er diese Welle nehmen kann, da die Bedingungen “gut aussehen”.

  • Bias: Der Halo-Effekt führt dazu, dass er die Leistung des Locals überschätzt und glaubt, ähnliche Ergebnisse erzielen zu können, obwohl er nicht die gleiche Erfahrung oder Fähigkeit hat.
  • Folge: Der Surfer paddelt in eine Welle, die für ihn zu anspruchsvoll ist, und riskiert einen Sturz oder Verletzungen.

Zu wenig Kontext: Verfügbarkeits-Heuristik

Ein Surfer hat kürzlich einen Freund gehört, der über eine Hai-Sichtung an einem anderen Strand gesprochen hat. Obwohl der aktuelle Strand sicher ist, fühlt sich der Surfer unsicher und geht nicht ins Wasser.

  • Bias: Die Verfügbarkeits-Heuristik bewirkt, dass kürzlich gehörte oder eindrucksvolle Informationen (z. B. die Hai-Sichtung) stärker in die Entscheidung einfließen als die tatsächlichen Bedingungen vor Ort.
  • Folge: Der Surfer verzichtet auf einen großartigen Surftag, obwohl kein reales Risiko besteht.

Zu viel Information: Overconfidence Bias

Ein Surfer, der viele Online-Tutorials und Surf-Videos angeschaut hat, glaubt, dass er fortgeschrittene Manöver wie einen Air oder einen tiefen Cutback problemlos ausführen kann, obwohl er diese noch nie geübt hat.

  • Bias: Der Overconfidence Bias führt dazu, dass der Surfer seine Fähigkeiten überschätzt, weil er glaubt, durch viel theoretisches Wissen bereits ein Experte zu sein.
  • Folge: Der Surfer versucht ein fortgeschrittenes Manöver, verliert dabei die Kontrolle und verletzt sich oder andere.

Zu wenig Information: Anker-Bias

Ein Anfänger paddelt in einen neuen Surf-Spot und sieht, dass alle Surfer links von einem großen Felsen starten. Er nimmt an, dass dies die beste Position ist, ohne die Bedingungen wie Strömung oder Wellengröße selbst zu prüfen.

  • Bias: Der Anker-Bias führt dazu, dass der Surfer seine Entscheidung ausschließlich auf die Position der anderen Surfer stützt, ohne die tatsächlichen Gegebenheiten zu analysieren.
  • Folge: Er startet an einer Stelle, die für Anfänger gefährlich ist, und wird von der Strömung ins offene Wasser gezogen.

Fazit: Wie Heuristik und Bias Entscheidungen beeinflussen

Man kann diese Verzerrungen minimieren, indem man bewusst innehält, die Bedingungen prüft und Entscheidungen sowohl intuitiv als auch analytisch trifft. So lässt sich Intuition optimal nutzen. Die vier Ursachen oder Auslöser für eine Verzerrung der Wahrnehmung sind nämlich präsenter als uns bewusst ist:

  • Zu viel Kontext: Beeindruckende Leistungen anderer oder äußere Einflüsse verzerren die Selbsteinschätzung.
  • Zu wenig Kontext: Einzelne, auffällige Informationen wie Hai-Sichtungen verdrängen eine realistische Einschätzung der Situation.
  • Zu viel Information: Überschätzung der eigenen Fähigkeiten durch theoretisches Wissen führt zu riskantem Verhalten.
  • Zu wenig Information: Entscheidungen basieren auf dem Verhalten anderer, ohne die Situation eigenständig zu analysieren.

Gemeinsames Modell: Ein integratives Verständnis von Intuition

Um Intuition noch besser zu verstehen und dann auch zu nutzen, hilft es diese sechs Theorien in einem Gesamtrahmen zu vereinen. Man kann sich Intuition als einen dynamischen Prozess vorstellen, in dem ErfahrungEmotionKontext und mentale Abkürzungen zusammenwirken.

1. Grundlage: Erfahrung und Mustererkennung

Aus dem Kognitiv-Adaptiven Modell und der Erfahrungsbasierten Intuition wissen wir, dass stetiges Lernen und Wiederholen in einem bestimmten Kontext (z. B. Sport, Führung, Technik) langfristig ein Repertoire unbewusster Muster aufbaut.

2. System 1 als automatischer Prozess

Das Zwei-Systeme-Modell erklärt, wie diese Muster in System 1 integriert werden und dadurch Intuition entstehen kann. Bei komplexeren oder ungewohnten Situationen wird zeitweilig System 2 hinzugezogen, um bewusst zu analysieren.

3. Kontext & Zeitdruck

Sobald der Kontext schnelllebig oder unsicher ist (z. B. beim Surfen oder bei kritischen Management-Entscheidungen), greift das Naturalistic Decision Making. Hier zeigt sich die Stärke von Intuition: rasche Entscheidungen, basierend auf Erfahrungswissen und gelernter Muster.

4. Emotionale Leitplanken

Die Somatische Marker-Hypothese verdeutlicht, dass körperliche Signale („Bauchgefühl“) wichtige Hinweise geben, ob eine Situation richtig oder falsch für uns ist. Emotionen wirken dabei wie ein Filter, der aus dem unbewussten Wissensschatz (s. o.) Vorschläge generiert.

5. Heuristiken und Bias

Im schnellen, automatischen Denken (System 1) kommen Heuristiken zum Tragen, die Entscheidungen vereinfachen. Das Heuristik- und Bias-Modell mahnt jedoch zur Vorsicht: Wenn wir zu sehr auf diese Abkürzungen vertrauen, entstehen Fehlurteile (Bias).

6. Übergang in das Bewusste

Kommt es zu Warnsignalen (z. B. somatische Marker, Unsicherheit, Widersprüche), kann System 2 übernehmen. Eine bewusste Analyse bietet dann eine zusätzliche Sicherheitsebene, um Fehlentscheidungen zu minimieren.

Fazit des integrativen Modells

  • Intuition als Wechselspiel: In vielen Situationen agieren Intuition (System 1) und bewusste Analyse (System 2) im Tandem. Erfahrung, Lernprozesse und kontextbedingte Anpassung sind die Basis zuverlässiger Intuition.
  • Balance zwischen Gefühl und Ratio: Emotional getriebene Marker und heuristische Abkürzungen beschleunigen Entscheidungen. Doch Wissen um mögliche Bias und die Einbeziehung bewusster Analyse steigern die Entscheidungsqualität.
  • Entwicklungsprozess: Je mehr Expertise und reflektierte Erfahrung, desto präziser wird Intuition. Gleichzeitig solltest du lernen, deine intuitiven Impulse zu prüfen, vor allem in kritischen Situationen mit hohem Risiko oder mangelnder Erfahrung.

Integriert betrachtet entstehen intuitive Entscheidungen also aus einem zusammenspiel von Erfahrung (Mustererkennung), emotionalen Signalen (somatische Marker), kognitiven Abkürzungen (Heuristiken) und – bei Bedarf – der bewussten Überprüfung durch System 2. So kannst du Intuition zielgerichtet nutzen, ohne dich blind auf dein Bauchgefühl zu verlassen.

Nutzen in der Führungsarbeit

Jedes dieser Modelle beleuchtet unterschiedliche Aspekte der Intuition und zeigt dir, wie du in komplexen, unsicheren oder zeitkritischen Situationen schnell und oft erfolgreich Entscheidungen treffen kannst, ohne bewusst über alle verfügbaren Informationen nachzudenken.

Wann Intuition nützlich ist

Damit dein Bauchgefühl treffsicher nützt, sollten einige Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Du hast in dem Bereich viel Erfahrung und Expertise.
  2. Du hast bereits eine solide Grundlage durch Faktenwissen geschaffen und brauchst jetzt nur noch einen entscheidenden Impuls.
  3. Es geht um eine kleine, alltägliche Entscheidung, bei der viele Fakten und Dimensionen im Spiel sind. In solchen Momenten kannst du gezielt auf deine Intuition hören.

Wann du vorsichtig sein solltest

Es gibt Situationen, in denen du dich nicht allein auf dein Bauchgefühl verlassen solltest:

  1. Wenn du in einem Bereich kaum oder gar keine Ahnung hast.
  2. Bei Entscheidungen mit hoher Tragweite und großen Unsicherheiten.

In diesen Fällen solltest du nicht vorschnell intuitiv entscheiden. Intuition zu nutzen bedeutet nicht, impulsiv zu handeln, sondern sie als weiteren Entscheidungskanal einzubeziehen – neben Fakten und Analyse.

Ganz besonders die verschieden Verzerrungen unserer Wahrnehmung stellen einen hohen Risikofaktor bei der Nutzung von Intuition dar. Der Cognitive Bias Codex listet rund 188 Biases auf, die in der Literatur beschrieben werden. Auch wenn es hier viele Überschneidungen zu geben scheint und es der Wissenschaft auch immer wieder gelingt, mehrere von ihnen zusammenzuführen, stellen sie ein vielseitiges Risiko dar, wenn wir Entscheidungen fällen.

Speziell, wenn du Entscheidungen mit hohem Risiko fällst, solltest du daher dein Bauchgefühl im System 2 absichern. Und pass‘ auf: der Bestätigungsfehler ist dabei dein größter Gegner!

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