Auf den ersten Blick klingt dieser Satz des französischen Dichters Pierre Reverdy provokant: Liebe als reine Handlung, kein abstrakter Gefühlszustand. Was soll das im Führungsalltag bedeuten? Er legt nahe, dass wir nicht nur von Wertschätzung reden, sondern sie durch konkrete Taten zeigen müssen. Auch für Führungskräfte gilt: Wenn du deinen Mitarbeitenden suggerierst, sie seien dir wichtig, ist das gut – aber Wertschätzung braucht Beweise.
In Teams sind zentrale psychologische Bedürfnisse zu erfüllen, damit echte Verbundenheit und Kooperation entstehen:
- Anerkennung und Aufmerksamkeit
- Selbstbestimmung durch das Gefühl von Bindung, Kompetenz und Autonomie
- Ein Gefühl von Gerechtigkeit
Wer als Führungskraft diese Bedürfnisse nur verbal bestätigt, ohne sie zu validieren und aktiv zu fördern, wird schnell Konflikte ernten. Wie aber schafft man „Beweise der Liebe“ im beruflichen Kontext?
„Man kann nicht nicht kommunizieren“ – Paul Watzlawick
Der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick formulierte das folgende Axiom für die Kommunikation: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Selbst Schweigen, Mimik, Gestik oder das Nicht-Eingehen auf Fragen senden immer eine Botschaft. Als Führungskraft heißt das:
- Kommunikation geschieht ständig, auch wenn du keine Worte sprichst.
- Deine Mitarbeitenden beobachten, ob du den Wert deiner Aussagen durch Handlungen untermauerst oder eben nicht.
Die fatale Wirkung von Schweigen
Schweigen kann in manchen Situationen goldrichtig sein – etwa wenn du bewusst Raum für andere schaffst. Doch wenn dein Team wichtige Anliegen äußert und du schweigst nur, kommt das einer stillen Ablehnung gleich. Mitarbeitende interpretieren das als Desinteresse oder gar Geringschätzung. Insbesondere bei zentralen Bedürfnissen wie Anerkennung, Selbstbestimmung oder Gerechtigkeit wirkt Schweigen fatal:
- Fehlende Anerkennung: Wer nie ein Feedback oder ein Lob erhält, obwohl er tolle Arbeit leistet, fühlt sich übergangen.
- Autonomie-Blockade: Wenn Teammitglieder Vorschläge machen und auf deine Reaktion warten, du jedoch weder „Ja“ noch „Nein“ sagst, bremst du ihre Handlungsfreiheit.
- Ungerechtigkeitsempfinden: Werden Regeln plötzlich geändert und alle sind betroffen, doch du kommentierst nicht, fühlen sich besonders engagierte Mitarbeitende im Stich gelassen.
Kurz: Schweigen wird stets gedeutet, häufig negativ. Das kann Konflikte befeuern, anstatt sie zu entschärfen.
Wenn man diesen Gedanken auf „Liebe“ (oder Wertschätzung) überträgt, bedeutet es: Liebe / Anerkennung ist keine bloße Absichtserklärung, sondern drückt sich stets in kommunikativen Beweisen aus. Selbst ein kleiner Blick, ein Nicken oder ein hilfsbereites Angebot zählt.
Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit und Selbstbestimmung validieren
In der Psychologie gelten Kompetenz, Autonomie und Bindung (oder Zugehörigkeit) als zentrale Bedürfnisse. Hinzu kommt das Bedürfnis nach Gerechtigkeit, einem fairen Umgang und passenden Ressourcen. Was heißt das konkret?
1. Anerkennung und Aufmerksamkeit
- Jeder Mensch sehnt sich nach dem Gefühl, gesehen und respektiert zu werden.
- „Beweise“ hierfür könnten sein: regelmäßige Einzelgespräche, in denen du dich wirklich dem Anliegen deiner Mitarbeitenden widmest, anstatt sie nur abzuhandeln.
- Eine schnelle E-Mail mit zwei Zeilen des Lobes ist okay, doch sie ersetzt nicht das tiefe Gespräch, in dem du deine Wertschätzung ausdrückst. Und beachte das Lob auch eine Kränkung sein kann.
2. Bindung: Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit
- Teammitglieder möchten das Gefühl haben, ein wichtiger Teil des Ganzen zu sein.
- „Beweise der Bindung“ sind z. B. Einladungen zum Mitgestalten von Projekten, offene Türen für Feedback oder Teamrituale, die echte Gemeinschaft fördern.
3. Kompetenz: Das Bedürfnis nach Leistung
- Jeder möchte seine Stärken einbringen und auch mal über sich hinauswachsen.
- „Beweise der Kompetenzförderung“: vertrauensvolle Delegation anspruchsvoller Aufgaben, Feedback, das nicht nur Fehler benennt, sondern Potential zeigt, oder Schulungen, die gezielt weiterbringen.
4. Autonomie: Das Bedürfnis nach Respekt
- Menschen wollen spüren, dass sie Handlungsspielraum und Eigenverantwortung haben.
- Ein „Beweis“ kann sein, dass du – statt ständiger Kontrolle – klar definierte Ziele vorgibst und dann das Wie dem Team überlässt.
5. Gerechtigkeit und Fairness
- Alle müssen das Gefühl haben, fair behandelt zu werden, ob bei Ressourcenverteilung, Gehältern oder der Anerkennung von Leistungen.
- „Beweise der Gerechtigkeit“: transparentes Vorgehen bei Beförderungen, faire Feedbackrunden, gleiche Chancen für alle.
Der entscheidende Punkt
Nur zu sagen, dass du dein Team schätzt oder fair behandeln willst, reicht nicht. Deine Handlungen in Bezug auf Aufmerksamkeit, Bindung, Kompetenzförderung, Autonomie und Gerechtigkeit sprechen die lauteste Sprache.
Empathie statt reiner Gefühlsshow
„Liebe“ in Unternehmen klingt kitschig, aber das Reverdy-Zitat ermutigt uns, echte Empathie zu zeigen. Empathie bedeutet, sich in die Lage anderer zu versetzen, ihre Sichtweise wirklich verstehen zu wollen. Das ist etwas ganz anderes als ein bloßes „Wir mögen uns doch alle, oder?“:
- Mitarbeitende beobachten sehr genau, ob du als Führungskraft wirklich verstehst, was sie bewegt (z. B. Wunsch nach Weiterentwicklung, Unsicherheit nach einem Fehler, Frustration über unklare Aufgaben).
- Eine empathische Führungskraft fragt nach, hört zu und validiert Gefühle: „Ich verstehe, warum dir das wichtig ist.“
Warum reicht das nicht allein?
Weil man trotzdem handeln muss. Empathie plus aktive Unterstützung oder Strukturänderung = echte „Beweise der Liebe“.
Warum Beweise so wichtig sind: Konflikte als Brennglas
In Konfliktsituationen bricht schnell hervor, was vorher nur unterschwellig vorhanden war. Zeigst du deinen Mitarbeitenden keine echten Indizien, dass du sie wertschätzt, kann selbst ein kleiner Streit eskalieren:
- „Du sagst doch immer, du hast Vertrauen – warum kontrollierst du mich dann ständig?“
- „Du redest über Gleichberechtigung, aber warum bekommen manche die spannenderen Aufgaben und ich nicht?“
Das Ganze verschärft sich, weil man, wie Watzlawick betonte, nicht nicht kommunizieren kann. Jedes Zögern, jeder spöttische Blick oder jede fehlende Rückmeldung wird von Kolleg*innen als Botschaft gedeutet, und zwar oft negativ.
Praktische Tipps für Führungskräfte
1. Zeige Wertschätzung direkt und im richtigen Moment.
- Anstatt Lob aufzuschieben („Ich sag es irgendwann später“), gib schnell Feedback und erkläre, warum jemand gute Arbeit leistet.
2. Gerechte Rahmenbedingungen schaffen.
- Delegiere Aufgaben fair, erklär transparent, warum bestimmte Personen besonders gefördert werden. Vermeide „Geheimniskrämerei“.
3. Ohren offen halten.
- Nimm dir Zeit für Einzelgespräche. „Wie geht es dir? Was brauchst du, um noch besser arbeiten zu können?“
- Hör nicht nur zu, sondern reagiere aktiv – das sind die „Beweise“.
4. Eigenverantwortung fördern.
- Lass Mitarbeitende eigene Lösungen entwickeln. Schaffe klare Ziele, aber gib Freiraum, wie sie dorthin gelangen.
5. Verbindlichkeit in der Kommunikation
- Wenn du etwas versprichst, halte es. Und wenn es nicht geht, erklär offen die Gründe. So entsteht Vertrauen, das wie ein „Liebesbeweis“ wirkt.
Fazit
„Die Liebe gibt es nicht, es gibt nur Beweise der Liebe.“ Was auf den ersten Blick poetisch klingt, ist für Führungskräfte ein klarer Hinweis: Reden ist Silber, Handeln ist Gold. Vor allem in einem Umfeld, in dem „man nicht nicht kommunizieren kann“, sendet auch dein Schweigen eine Nachricht – häufig eine negative.
Die Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit, Selbstbestimmung und Gerechtigkeit erfordern konkrete Beweise. Menschen wollen sehen, dass deine Worte mehr sind als bloße Lippenbekenntnisse.
Allerdings solltest du wissen: Wer „Beweise der Liebe“ liefert, macht sich verwundbar. Das gilt in der Führung ebenso wie in der Partnersuche. Sprich mal mit Singles über ihre größten Ängste, und du wirst hören, dass viele sich vor Zurückweisung fürchten, wenn sie ihr Interesse klar zeigen. Doch wenn diese Angst zu groß wird und man lieber „gar keine Beweise“ liefert, gehen Chancen für echte Verbindung verloren – im Privatleben wie im Team.
Tipp: Lass dich als Führungskraft nicht von der Furcht leiten, vielleicht verletzt oder zurückgewiesen zu werden, sobald du echten Einsatz zeigst. Wer sich gar nicht traut, seine Wertschätzung in Handlungen zu übersetzen, läuft Gefahr, dass jede*r die vermeintliche Gleichgültigkeit wahrnimmt. Hab Mut und zeige deine „Beweise“ – so entsteht das Vertrauen, das Konflikte gar nicht erst hochkochen lässt und schnell in Lösungen übersetzt.